4 Erinnerungen Kindheit, Schule
..... Kindheit und Schulzeit in Bremen ......
Wenn man selbst in den wenigen verbleibenen Papieren und Fotos aus der Schulzeit kramt, macht das einen richtig melancholisch - schon mehr als 55 bzw. 65 Jahre sind im Nu vergangen. Und oft kommt es einem vor, als wären diese Ereignisse erst gestern gewesen: Manches, besonders aus dem Gymnasium, hat sich in das eigene Gedächtnis richtiggehnd eingebrannt.
Meine Eltern und ich waren Vertriebene aus den Ostgebieten Deutschlands. Und es war gar nicht einfach, 1947 / 48 nach Bremen zu kommen. Nachbarn und auch Klassenkameraden betrachteten uns bestenfalls als Deutsche minderer Qualität. Als Vertriebene hatten wir ein Anrecht auf den sog. Vertriebenen-Ausweis (Direkt Betroffenen bekamen den Ausweis "A", hier auch mal abgebildet) und hatten geringfügige Vorteile bei der Wohnraum-Versorgung und in wenig anderen Bereichen: Allein das wurde von den Eingesessenen schon deshalb recht kritisch betrachtet. Bekannt waren solche netten Sprüche wie "Geht doch dahin, wo ihr hergekommen seid" oder auch "Polacken-Pack".
Die Einschulung wurde bei mir wegen des angegriffenen Gesundheitszustands um ein Jahr verschoben.
Der erste Schultag - auch damals entsprechend alter Tradition bekam ich schon eine Schultüte, s. die beigefügte Abbildung. Soviel ich noch weiß waren darin ein paar Kekse und ganz wenige Süßgkeiten - ganz verständlich in der Nachkriegszeit und Hungerzeit von 1949.
Das erste Schuljahr verbrachte ich in der Schule an der Rembertistraße. Der Klassenraum wurde mit einem primitiven Ofen beheizt, die Kohlen wurden oftmals vom Lehrer bzw. der Lehrerin mitgebracht. Fast alle Kinder waren ziemlich ausgehungert: Zur Stärkung gab es in den Pausen ein Kakaogetränk. Dafür hatte jedes Kind an seinem Tornister einen kleinen Metallnapf oder-flasche. Die übliche Ausrüstung bestand aus einer Schiefertafel und einem Schreibgriffel. Schulbücher und -Hefte waren nur in sehr geringer Anzahl vorhanden - also war der Tornister auch gar nicht sonderlich schwer.
Im Schulmuseum der Stadt Bremen finden sich einige dieser Gegenstände ... und es gab im Juni 2014 eine sehenswerte Ausstellung dazu in der unteren Rathaushalle Bremens.
Meine Schuljahre 2 bis 5 wurden in der Schule an der Lessingstr. absolviert, wobei Klassengrößen von 40 bis 50 Schülern ganz normal waren. Alles was ich selbst dort erlebte, ist - abgesehen von ein paar besonderen Vorkommnissen - vollständig aus dem Gedächtnis verschwunden: eigentlich merkwürdig. Regelmäßig gab es Gesundheitschecks (Impfungen, TB-Untersuchungen... ), dafür wurde ein spezieller Bus eingesetzt.; organisiert vom Gesundheitsamt Bremen. Dennoch hatte ich einmal Scharlach - für drei Wochen wurden die Erkrankten im Krankenhaus St.Jürgensstr. isoliert, untergebracht in einem riesigen Schlafsaal, schreckliche Zeit, schreckliche Erfahrung. Die elterlichen Besucher durften sich nur recht kurz am Fenster zeigen.
Woran ich mich noch erinnern kann, war ein "Erholungsaufenthalt" auf der Nordseeinsel Borkum: Die Betreuer achteten peinlich genau darauf, daß wir unsere Suppen zu Mittag vollständig aßen und Mittagsschlaf hielten - mindestens 2 oder 3 kg sollten wir zunehmen Danach waren wir alle wieder in kürzester Zeit auf unser Mini-Normalgewicht. Spielen und Toben war auch nicht zulässig - sonst hätte man das gesteckte Ziel ja nicht erreicht.
Des weiteren gab es später auch eine Ferienfreizeit am Strand von Lankenau, eben dort, wo jetzt der Neustadtshafen liegt.
Alle Schulwege (auch zur Schule an der Rembertistr.) wurden zur Fuß gemacht, selbst bei der Mittelschule war das der Fall: Immerhin knapp 3 km, wofür ich so etwa 40 Min. brauchte. Zu dieser Zeit wohnte ich im "Viertel", daß damals eher verrufen war und noch gar nicht so "in" war wie heute.
In guter Erinnerung sind mir noch die Einkäufe im Viertel in benachbarten Lebensmittelgeschäften wie "Brema" und Gebr. Puls, manchmal auch in dem heute bis vor kurzem noch existierenden Kolonialwarengeschäft Holtorf geblieben. Besonders schön war jedoch Eisessen bei Chiamulera am Sonntag (zu mehr langte damals das geringe Tachengeld nicht). Und dann fallen einem die damaligen Schlager von Rocco Granata (wie Marina ....) ein.
Als Kind hatte ich natürlich den Spielzeugladen von Wichlein (beim Theater am Goetheplatz) in besonders schöner Erinnerung: Stundenlang stand ich etwa in der Vorweihnachstzeit vor den aufgebauten Spielzeug-Eisenbahnen. Zwar bekam ich mal eine aus Blech geschenkt, viel größer als der ersehnte Maßstab H0 (1:87), mit einem dicken Schlüssel versehen zum Aufziehen. Gerne hätte ich gewußt, was jetzt aus ihr geworden ist. Erst im gesetzten Alter von etwa 30 Jahren habe ich mir eine kleine elektrische Eisenbahn von Lima gekauft. Die meisten meiner Spielzeuge hatten meine Eltern, nachdem ich in Bonn beschäftigt war, einfach der Müllabfuhr "anvertraut". Ein Verhalten, was ich jetzt noch nicht verstehen und nicht billigen kann.
Was ich hier noch erwähnen möchte: Unsere Familie war von 1947 bis 1977 (ich selbst bis 1968) Mitglied der reformierten Kirche U.L. Frau, die recht bekannte Ratskirche mitten in Bremen neben dem Rathaus. Für arme "Kirchenmäuse" (wie wir es zu dieser Zeit waren) hat sie jede Menge getan. Dankbar erwähnen möchte ich den Pastor der Gemeinede D. Günter Besch und die Gemeindeschwester Thea Stoldt. Am 24.3.1957 wurde ich von diesem großartigen Seelsorger nach immerhin zweijährigem Konfirmandenunterricht konfirmiert. Der Gottesdienst und die häusliche Feier in Bremen-Woltmershausen ist fest in meinem Gedächtnis geblieben, als wäre es gerade gestern passiert.
Besuch von Mittelschule und Gymnasium
In den Jahren 1955 bis 1959 konnte ich die Mittelschule an der Karolinastr., Bremen (später sagte man dann Realschule dazu, jetzt heißt das wieder ganz anders) besuchen. Diese Schule war gewissermaßen ein abgetrennter Teil des damaligen (Mädchen-)Gymnasiums an der Kleinen Helle. Dabei wurde die Klasse aus vielen "überzähligen" Schülern anderer Schulen gebildet. Unser erster Klassenlehrer und auch die Fachlehrer waren wirklich sehr benüht; nur eine unserer Deutsch-Lehrerinnen war schon eine Zumutung; schon damals feministisch (und männerfeindlich) bis auf die Knochen und das war bei der Verteilung von Zensuren deutlich zu spüren, was sie auch immer wieder und sehr oft herausstrich. In den vier Jahren des Schulbesuchs hatten wir 3 Klassenlehrer (Herr Korol (sen.), Herr Rowohlt und Herr Knieriem), wobei der erstere recht verständnisvoll war. Zu erwähnen wäre da unser Biologielehrer (Herr Stubbe) , der mir symphatisch war und der mir auch recht viel Sympathie und Unterstützung (Lieblingsthema Vogelkunde) entgegenbrachte. Daneben hatten mir auch die Fächer Physik und Chemie viel Spaß gemacht hatten. Ähnlich positiv waren meine Erfahrungen mit dem Fach Spanisch und dem Fachlehrer (Herrn Ostermann), der mir meine erste Auslandsreise nach Spanien 1958, nämlich Costa Brava und Barcelona, ermöglichte.
Auch in dieser Schule gab es schon sowas wie Arbeitsgemeinschaften, z.B. Handarbeiten für Mädchen, Werken für Jungen und sogar Stenografie. Ich hatte damals den Mut, mich an dieser AG Steno zu beteiligen - der einzige Junge unter etwa 30 Mädchen. Das Lehr- und Arbeitsheft fiel mir gerade vor kurzem wieder in die Hände. Allerdings muß ich feststellen, daß ich das Meiste davon konsequent vergessen habe.
Nun möchte ich noch etwas mehr von unserer Klasse (der damaligen 13 w/a, Jahr 1962) berichten --
** Lehrer und Schüler .....